Wenn ich in meinen Schulungen den Sinn und die Inhalte des Daily Scrum erläutere, ziehe ich gerne die Auszeit in Sportarten wie Eishockey oder Basketball als Vergleich heran. Hierbei kommt das gesamte Team zusammen und bespricht, mit welcher Taktik der größtmögliche Erfolg erzielt werden kann. Die Realität, die ich bei vielen agilen Teams beobachte, sieht leider etwas anders aus. In den meisten Fällen wird das Daily Scrum lediglich dazu genutzt, untereinander transparent zu machen, woran jeder einzelne gerade arbeitet. Die Koordination und Planung der nächsten Aufgaben mit Blick auf das gemeinsame Ziel spielt nur eine untergeordnete Rolle und so geschieht es nicht selten, dass am Ende des Sprints zwar viele Arbeitspakete abgearbeitet sind, das Sprintziel aber dennoch nicht erreicht wurde.
Um das zu verhindern, gebe ich diesen Teams eine alternative Methode an die Hand, mit der sie dieses Meeting so gestalten können, dass der Fokus weniger auf die individuellen Arbeit und mehr auf der Maximierung des Gesamtergebnisses liegt.

Nie sollst Du mich befragen

Bei der Durchführung des Daily Scrum orientieren sich die meisten Teams an den folgenden drei Fragen, die reihum von jedem Teilnehmer beantwortet werden:

  • Was hast Du gestern getan?
  • Was wirst Du heute tun?
  • Was hindert Dich an Deiner Arbeit?

Diese Form der Fragen birgt das Risiko, dass die einzelnen Beiträge der Teammitglieder zu einem Status Reporting degenerieren, bei dem jeder ausführlich berichtet, womit er sich den gestrigen Tag lang beschäftigt hat. Der Fokus liegt letztendlich auf den Arbeitspaketen. Für das Erreichen des Sprintziels und damit den Erfolg des Sprints ist jedoch lediglich ausschlaggebend, welche User Stories abgeschlossen wurden und ausgeliefert werden können. Aus diesem Grund distanziert sich inzwischen auch Jeff Sutherland davon und schlägt in seinen Schulungen die folgenden Leitfragen vor:

  • Womit hast Du gestern dem Team geholfen, damit es sein Sprintziel erreicht?
  • Wie willst Du heute dem Team helfen, das Sprintziel zu erreichen?
  • Siehst Du irgendwelche Hindernisse, die Dich oder das Team daran hindern, das Sprintziel zu erreichen?

Aus meiner Sicht bleiben dennoch weitere Defizite dieses “Reihum-3-Fragen”-Modus bestehen. Während des Meetings spricht immer nur ein Team über seinen aktuellen Stand. Dabei muss ich als Teilnehmer die ganze Zeit über aufmerksam zuhören und meine Konzentration hochhalten. Gleichzeitig bereite ich aber in meinem Kopf schon vor, was ich sagen will, sobald ich an der Reihe bin. Außerdem wird das Scrum Board lediglich zur Statusaktualisierung genutzt und nicht als Informationsquelle genutzt, die dem Team zeigt, was die nächsten, wichtigen Aufgaben sind.

Walk the Board

Eine Möglichkeit diese Problempunkte anzugehen bietet die “Walk the Board”-Methode. Im Kern geht es darum, gemeinsam das Board durchzugehen, Entscheidungen über die nächsten Arbeitsschritte zu treffen und diese zu koordinieren, und schließlich Hindernisse zu erkennen und darauf zu reagieren. Als Leitfaden für diese Vorgehenweise dienen mir die folgenden Regeln:

  1. Ein Teammitglied übernimmt die Moderation, wobei er schrittweise durch die Spalten führt.
  2. Das Board wird ähnlich wie bei Kanban von rechts nach links aktualisiert.
  3. Bei jeder Spalte wird zunächst geschaut, ob sich darin Tasks befinden, bei denen es Schwierigkeiten in der Bearbeitung gibt. Handelt es sich um blockierte Aufgaben, werden diese in das Impedimentbacklog übernommen und in jedem Daily über den Stand berichtet. Wird lediglich zusätzliche Hilfe aus dem Team benötigt, wird entschieden, wer dabei unterstützt.
  4. Danach wird geschaut, wieviel neue Tasks in der Spalte das WIP-Limit (falls gesetzt) zulässt. Entsprechend kann diese Anzahl an neuen Arbeitpaketen aus der vorgehenden gezogen werden.
  5. Stehen dort mehrere zur Auswahl, entscheidet das Team, welche Tasks den meisten Fortschritt hinsichtlich des Sprintziels bringt.

Ergänzend zu dieser Vorgehensweise haben sich aus meiner Erfahrung die folgenden Regeln erwiesen:

  • Abschließend wir das Burndown aktualisiert und geprüft, ob man noch auf dem Track ist.
  • Wenn nicht, wird entschieden, was zu tun ist und die Aufgaben Teammitgliedern zugewiesen.

Fazit

Wie jede Vorgehensweise hat auch diese ihre Vor- und Nachteile:

  • Pro
    • WIP-Limits werden betont und damit Engpässe verhindert, was wiederum die Geschwindigkeit insgesamt erhöht.
    • Interaktiverer Austausch zwischen den Teammitgliedern, da gemeinsam Entscheidungen diskutiert und getroffen werden.
    • Die Aufmerksamkeit wird über die gesamte Zeit hochgehalten.
    • Implizite Integration des Burndown Charts und damit der regelmäßige Blick auf das Sprintziel.
  • Contra
    • Wenn immer derselbe die Moderation des Daily Scrums durchführt, besteht die Gefahr, dass diese Person ungewollt in eine Projektleitungsrolle rutscht.
    • Leisere Teammitglieder laufen Gefahr, in den sich ergebenden Diskussion unterzugehen.

Insgesamt aber habe ich sehr positive Erfahrungen mit dieser Herangehensweise gemacht und kann sie daher nur empfehlen.